Temu und Co: Shoppen auf eigenes Risiko

Die Angebote wirken bestechend: ­Billiganbieter im Netz preisen ­Textilien, Möbel, Elektronik oder Beautyprodukte extrem günstig an. Doch die Geschäftsmodelle stehen in der Kritik. Verbraucher sollten wissen, wie sie funktionieren.

Text: Eva Neuthinger

Die Verbraucherzentralen mahnten Ende März dieses Jahres die Plattform Temu ab. Man habe mehrere Verstöße festgestellt, unter anderem irreführende Rabatte und eine unzulässige Verwendung manipulativer Designs – sogenannter Dark Patterns. Teilweise wären dann Waren um 95 Prozent günstiger ausgewiesen worden, ohne die Referenzpreise zu nennen. Der Online-Händler wirbt auch gern mit Spielen, Glücksrädern oder Hinweisen wie „Beeil dich! Über 126 Personen haben diesen Artikel in ihrem Warenkorb“. Das sind Strategien, die die Verbraucher beeinflussen. Dark Patterns sind in der EU seit Februar 2024 verboten. Die Bundesregierung will laut Presseberichten gegen die Praktiken der Plattform vorgehen.

Die Bundesregierung will laut Presseberichten gegen die Praktiken der Plattform vorgehen. Und die EU stufte den Online-Händler als sehr große Plattform ein. Damit sind einige Vorgaben zum Verbaucherschutz einzuhalten. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte Temu und den Anbieter Shein dazu aufgefordert, nicht mehr mit Streichpreisen ohne weitere Erklärungen oder manipulativen Designs zu werben. Beide haben Mitte Mai dieses Jahres Unterlassungserklärungen unterschrieben.

Schon wieder Post! Für viele Kunden sind Pakete von Billiganbietern dank Gamification und Geschenken fast wie Weihnachten.

Günstig bleibt es: Die trendige Reisetasche kostet bei Temu zum Beispiel unter 11 Euro, der einfarbige atmungsaktive Sport-BH 2,77 Euro. Der Online-Händler warb aggressiv für seine Billigangebote: Für 39 Cent gibt es Damensneaker mit 80 Prozent Rabatt, die einfarbige Damenpantolette kostet 3,97 Euro und der Donut-Haarknoten 2,47 Euro. Alles – auch jede Kleinigkeit für wenige Cent – wird zeitlich begrenzt ohne Versandkosten geliefert.

Das hört sich gut an. Aber man muss wissen: Der chinesische Anbieter Temu hat – wie etwa auch die Shopping-App Wish – keine Eigenmarken; die Produkte kommen von externen Händlern. „Es handelt sich in der Regel um No-Name-­Produkte, die vielfach ohne Zertifizierungen in China hergestellt werden. Ihr Warenwert ist entsprechend gering“, sagt Andrea Steinbach von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Vorsicht bei Elektronik

Die Qualität lasse häufig zu wünschen übrig. „Wer bei Billiganbietern wie zum Beispiel auch bei Alibaba einkauft, sollte vor allem bei elektronischen Produkten aufpassen. Häufig fehlt das in Deutschland zugelassene CE-Zeichen. Das ist wichtig. Denn der Hersteller bestätigt damit, dass sein Produkt den geltenden europäischen Richtlinien entspricht“, so Steinbach.

„Wer bei Billiganbietern einkauft, sollte vor allem bei elektronischen Produkten aufpassen“

Käufer sollten sich bewusst sein, eventuell ein Risiko einzugehen. Die Verbraucherzentralen kritisieren zum Beispiel auch den Billiganbieter Wish. Produkte seien häufig beschädigt oder kämen gar nicht an. Schlimmer noch: Es wurden bereits Mahnschreiben verschickt, obwohl Kunden die Ware aufgrund langer Lieferzeiten überhaupt noch nicht erhalten hatten. Gehen Bestellungen retour, sperrt der Händler vielleicht das Kundenkonto.

Bei der Bezahlung lassen die Online-­Händler in der Regel die üblichen Verfahren wie Kauf auf Rechnung, Paypal, Kreditkartenzahlung oder Apple und Google Pay zu. Sie sind sicher. Nur: Die strengen Datenschutzregeln nach europäischem Recht halten die Billig-­Online-Shops oft nicht ein. Temu etwa gibt zu, bewusst Informationen über seine Kunden zu sammeln und sie gezielt für Werbezwecke zu nutzen.

Viele begeisterte Kunden

Das beunruhigt viele Nutzer nicht. Im Internet finden sich zahlreiche begeisterte Bewertungen. „Meine Familie, Frau, Mutter, Töchter, Schwiegersöhne etc. haben ohne zu übertreiben über 100 Artikel bei Temu bestellt. Wir haben wirklich nur sehr gute Erfahrung gemacht“, schreibt Peter R. auf Trustpilot.

Psychologisch führen Billig­angebote zu irrationalem Verhalten.

Bei Youtube geben einige Fans an, sehr häufig – und womöglich häufiger als gewollt – bei der Online-Plattform zu kaufen. „Ich könnte immer wieder bei Temu bestellen“, so Carmela7541. Oder @TheSugarillbabe meint: „Temu ist echt schlimm. Ich bin auch ständig am Bestellen.“ Psychologisch führen Billig­angebote zu irrationalem Verhalten, wie die Forschung festgestellt hat. Sie wirken wie Drogen, weshalb Schnäppchen süchtig machen. Wörter wie Rabatt oder Sonderangebot aktivieren ein Belohnungssystem im Gehirn.

Temu belohnt Kunden auch mit kleinen Geschenken, wenn sie genügend beim Shoppingportal einkaufen. Und wer den Laden bei seinen Freunden oder Bekannten anpreist, erhält einen erhöhten Rabatt. Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Rheinland-­Pfalz haben es ausprobiert. Am Anfang waren die Rabatte sehr ansehnlich. Aber mit der steigenden Zahl von Empfehlungen reduzierte sich der Preisnachlass stetig.

Deshalb sollte man Angebote kritisch prüfen, bevor man sie in den Warenkorb klickt. Die Verbraucherzentralen raten dazu, sich vor dem Kauf zu informieren und die Kundenbewertungen anzusehen. Aber Vorsicht: Denen darf man auch nicht immer glauben.

 

Fünf Tipps für den Einkauf

Auf diese Punkte sollten Verbraucher achten, bevor sie die Ware in den Online-Einkaufskorb legen.

  • Nachhaltigkeit: Die Produkte werden häufig in fernen Ländern produziert. Man darf nicht davon ausgehen, dass die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt sind. Anbieter Temu wirbt damit, innerhalb Deutschlands auf die Lieferwege zu achten. Der weite Transport vom Hersteller im Ausland bleibt unberücksichtigt.
  • Bewertung: Kundenbewertungen sind hilfreich, allerdings kann man kaum verifizieren, ob sie echt sind.
  • Sicherheit: Die Produkte entsprechen vielfach nicht europäischen Standards. Das mag für die eine oder andere Ware nicht von Bedeutung sein. Aber bei elektronischen Geräten auf das CE-Kennzeichen achten!
  • Lieferzeiten: Die Ware wird häufig erst nach Wochen oder Monaten zugestellt, weil sie oft aus Fernost kommt. Auf Vorkasse verzichten.
  • Kein Single-Sign-On: Online-Shops bieten gern an, sich über ein soziales Netzwerk oder den Händler einzuloggen – das sogenannte Single-Sign-On (SSO). Verbraucherzentralen raten davon ab. Zudem sollte das Standorttracking im Smartphone ausgeschaltet sein, um nicht zu viele Informationen über sich preiszugeben.

Fotos Adobe Stock, dpa/Picture Alliance

 

 

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