Die Leitzinsen haben den Höchststand erreicht, die Risiken sind eingepreist: 2024 ergeben sich Möglichkeiten, mit einer langfristigen und vielfältigen Anlagemischung das Vermögen zu mehren. Wie es gehen kann.
Text: Peter Weissenberg
Zwar erwarten viele Experten, dass die Europäische Zentralbank und die amerikanische Fed in der zweiten Jahreshälfte von den Höchstsätzen bei den Leitzinsen abrücken werden (siehe Grafik). Für Deka-Anlagestratege Christoph Witzke bleibt aber der Umstand, dass die Zinsen überhaupt zurückgekehrt sind, die bedeutendste Rahmenbedingung für das Management langfristig ausgelegter Portfolios. Und die Zinsen werden auch nach der erwarteten Trendumkehr bei den Notenbanken noch sehr lange im positiven Bereich bleiben.
Ob bei Aktien, Anleihen, Mischfonds oder Immobilien: Mit dem richtigen Mix und gezielten Schwerpunkten bei Branchen, Trends oder Regionen können jetzt die Weichen für eine starke, breit gestreute Vermögensbildung gestellt werden. Schon in den ersten Monaten dieses Jahres gab es reale Wertzuwächse bei den beiden Anlageklassen Aktien und Anleihen. Das hatte es zuletzt in den 2000er-Jahren gegeben.
Die Anleihenmärkte könnten zukünftig wieder ihre lange vermisste Rolle als Renditebringer spielen, so Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der Deka: „Die Rentenmärkte profitieren in den kommenden Jahren von zwei positiven Effekten. Zum einen liegt die massive Niveau- und damit Preisanpassung bereits hinter dem Markt, sodass die erwarteten Renditerückgänge zu steigenden Anleihekursen führen. Zum anderen führen die Zinsen zu einem laufenden stabilen Kuponertrag.“ Und das bei Wiederanlage sogar mit dem Ertragsturbo des Zinseszinseffekts.
Notenbanken agieren vorsichtig
Wie schnell welche Notenbank in welchen Schritten den Leitzins senken wird, ist noch unklar – beide fahren auf Sicht. Wegen der abnehmenden Inflation sowie eher begrenzter Zinssenkungen in den USA und der Euro-Zone dürften festverzinsliche Wertpapiere aber eine interessante Anlageklasse für Anlegerinnen und Anleger bleiben.
Besonders umschauen beim neuen Portfoliomix sollte man sich nach Unternehmenspapieren mit guter Bonität. Die könnten von hohen Renditen und den guten Fundamentaldaten der Unternehmen profitieren, so Schallmayer. Mögliche Ausfälle seien bei einer breiten Mischung solcher Papiere etwa in einem Fonds auch kein höheres Risiko, denn viele Firmen hätten die Nullzinsjahre für eine auskömmliche Liquiditätsvorsorge genutzt, um sich Kapital für lange Zeit günstig zu beschaffen. Bei gestiegenen Zinsen können sie sich so weitgehend mit Refinanzierungen zurückhalten. „Daher überstehen sie die schwache Konjunkturentwicklung bisher recht gut“, sagt Schallmayer. Auch Unternehmensanleihen aus dem Hochzinsfeld seien in dieser Hinsicht in einem Portfolio ein interessantes Renditeelement.
Und wie lang sollten die Laufzeiten sein? Da empfehlen Fachleute wie Witzke, sich angesichts der attraktiven Zinssätze an das Vorbild institutioneller Anleger wie Versicherungen oder Pensionskassen zu halten. Die investieren derzeit verstärkt in längerlaufenden Papieren von Firmen hoher Bonität, um sich Zinsen von 4 und mehr Prozent längerfristig zu sichern. Angenehmer Nebeneffekt: Sinkt das Leitzinsniveau wieder, dann dürften diese Papiere auch noch Kursgewinne verzeichnen.
Aktien bleiben wichtig
Zweistellige Renditen allerdings, die dürften wohl auch 2024 in der Breite nur an den Aktienmärkten zu erzielen sein. Investitionen in Unternehmensanteilen bleiben darum für die Fachleute weiter der wichtigste Bestandteil in einem wachstumsorientierten Portfolio. Zu Jahresanfang stiegen insbesondere die Kurse der Technologieaktien und preisten einige der Erwartungen schon ein. Christoph Witzke sieht dennoch vor allem in den USA gute Chancen: „Im Umfeld der US-Wahlen im Herbst könnte es beispielsweise eine kurzfristige Korrektur geben – und damit Einstiegspreise.“
Der DAX entwickelte sich bereits zu Jahresanfang besser als erwartet und bleibt auch langfristig interessant (siehe unten). In China gibt es laut Witzke angesichts der dort noch anhaltenden konjunkturellen Kalamitäten ebenfalls Gelegenheiten zum Einstieg – eine gewisse Risikobereitschaft vorausgesetzt. Japan biete sich als weniger risikobehaftete Alternative an.
Bei vielen Megatrends sind deutsche und europäische Unternehmen auch im Vergleich zu Chinesen oder US-Riesen gut aufgestellt. Witzke empfiehlt, dabei nicht nur auf das Thema KI und Digitalisierung zu schauen: „Der Sektorenmix sollte ausgewogener sein.“ Und schließlich ist beispielsweise die vierte industrielle Revolution ein Thema, das alle Firmen betrifft. Auch Energieversorger, Telekommunikationsfirmen oder auch Gesundheitsversorger profitieren vom digitalen Wandel. Als Vertreter defensiver Sektoren gehören sie mit in den Portfoliomix.
„Firmen aus dem Gesundheitssektor sind 2023 bei der Kursentwicklung verhältnismäßig zurückgeblieben“, erklärt Witzke. Er rät daher gerade jetzt, sie im Portfolio höher zu gewichten, also Positionen aufzustocken, und sagt: „Bei Gesundheit rechnen wir damit, dass die großen Pharmaunternehmen 2024 auf Shoppingtour gehen werden.“
Perspektiven für Immobilien
Solche Gelegenheiten gibt es seit einigen Monaten auch in der Welt der Immobilien. „Von allen Sektoren in der Volkswirtschaft wirken sich dort die Zinssteigerungen der Notenbanken am stärksten aus“, erklärt Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Immobilienentwickler mit hohem Fremdkapitalbedarf seien ausgeschieden, was zu einer Marktbereinigung geführt habe. Da der Zinsanstieg nun bereits eingepreist sei, dürften sich die Immobilienmärkte tendenziell erholen.
Für Hendrik König vom Deka-Immobilienfondsmanagement sind das gute Nachrichten für alle, die in dieser Anlageklasse investiert sind. 2024 liege bei Immobilien „in der Ruhe die Kraft“. Der Markt biete attraktive gewerbliche Nutzungsarten wie Büro, Hotel, Einzelhandel oder Logistik. Gerade erst habe die Deka Immobilien in neue Logistikflächen investiert, für die hohe Nachfrage bestehe. Auf den Dächern seien Photovoltaikflächen verbaut – auch das ein wichtiger Trend. König: „Mehr als 80 Prozent der Immobilien sind nach Nachhaltigkeitskriterien zertifiziert.“ Mit solcher Zukunftskraft bleiben Immobilien Stabilitätsanker einer langfristigen Geldanlage, wenngleich zwischenzeitliche Kursschwächen möglich sind.
Längere Rücksetzer unwahrscheinlich
Anlässe für temporäre Kursrücksetzer sind 2024 in vielen Anlageklassen möglich. Allein 40 Prozent der Weltbevölkerung wählen ihre Führung neu. Mit längeren Einbrüchen rechnen die Experten aber nur, wenn politische Konflikte eskalieren, die Inflation zurückkehrt oder die USA in eine Rezession rutschen. Selbst dann aber dürften langfristig und breit aufgestellte Portfolios diese nach aktueller Betrachtung eher unwahrscheinlichen Zeiten durchstehen. Die Voraussetzungen dafür seien so gut wie nie. „Vom aktuellen Startpunkt aus können Anlegerinnen und Anleger nicht nur ein wesentlich besser diversifiziertes und damit auch stabileres Portfolio als noch vor einem Jahr zusammenstellen, sondern auch eines mit einer soliden Gesamtertragserwartung“, so Experte Schallmayer.
DAX im Höhenflug
In der ersten Jahreshälfte erreichte der deutsche Leitindex neue Höchststände. Er bleibt langfristig attraktiv, so die Deka.
Für die 40 DAX-Papiere sieht Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der Deka, für 2024 und in den Folgejahren überdurchschnittliche Wachstumschancen. „Der DAX ist ein Value-Investment“, sagt der Experte. Er sei gerade einmal mit dem 1,2-Fachen seines Buchwerts bewertet, das heißt, von der Bewertung her ist ein großer Teil über das Eigenkapital abgedeckt. „Das ist nicht nur im relativen Vergleich zu anderen Indizes ein großer Abschlag, sondern auch ein absolut sehr niedriges Niveau.“ Auch hier bieten schwächere Marktphasen Chancen zum Einstieg. Alternativ kann auch ein Sparplan angelegt werden, mit dem kontinuierlich in deutschen Bluechips investiert wird. Ähnliche Einschätzungen gibt das Fondsmanagement für europäische Nebenwerte.
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